Europaweite Videoüberwachung an Schlachthöfen und Dokumentation


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2014-05-04 20:14



05.05.2014 / Inland / Seite 4Inhalt
»Keine Schweinerei«
Sachsen-Anhalt: Tier- und Umweltschützer sammelten erfolgreich Unterschriften gegen Megaschlachthof in Bernburg. Bürgerentscheid voraussichtlich im Sommer

http://www.jungewelt.de/2014/05-05/014.php

Von Susan Bonath
Schweinehälften in einem westdeutschen Schlachthof im Herbs
Schweinehälften in einem westdeutschen Schlachthof im Herbst 2006. Schon der damalige Gammelfleischskandal brachte die Branche in die Kritik
Foto: Ina Fassbender / Reuters
Die Gegner eines geplanten Großschlachthofes in Bernburg sind einen Schritt weiter. 6069 Menschen haben das Bürgerbegehren der Initiative »Keine Schweinerei« unterstützt, wie diese am Freitag informierte. Erforderlich waren 3000 Unterschriften. Damit ist der Weg für den Bürgerentscheid frei. Die Bernburger sollen voraussichtlich am 6. Juli abstimmen. Dann müßten mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten gegen den Bau stimmen, um das Vorhaben zu stoppen.
Eigenes Klärwerk nötig
Über die Größe des Schlacht- und Zerlegebetriebs, in dem täglich zwischen 10000 und 28000 Schweine getötet werden sollen, wird noch spekuliert. Klar ist nur, daß die Tiere mangels Ställen in Sachsen-Anhalt von weit her, vermutlich aus Osteuropa, angeliefert werden müßten. Das meiste Fleisch soll dann wieder ins europäische und asiatische Ausland exportiert werden. Gegner kritisierten eine mangelhafte Informationspolitik von Stadt, Land und Konzern. Bernburgs Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) hat inzwischen mehr Transparenz versprochen. Deshalb will der Stadtrat am 8. Mai den Investor Piero Pini anhören. Pini ist Geschäftsführer der im Januar gegründeten Pini Deutschland GmbH mit Sitz in Magdeburg sowie Präsident des italienischen Mutterkonzerns Bresaole Pini.

Nach einem Bericht der in Halle (Saale) erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (MZ) vom Freitag will das Unternehmen 55 Millionen Euro in der sachsen-anhaltischen Kleinstadt investieren und bis zu 2500 Arbeitsplätze schaffen. In einem Förderantrag vom Oktober 2013 war jedoch nur von 140 Jobs die Rede. Den Worten von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) zufolge soll Pini keine Landeszuschüsse erhalten. Bauen wolle das Unternehmen dennoch. Zudem habe es angekündigt, ein eigenes Klärwerk anzulegen. Nötig wäre dies, denn wie Bernburgs Oberbürgermeister Henry Schütze gegenüber der MZ sagte, würde sich die derzeitige städtische Abwassermenge von 1,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr durch den Megaschlachthof etwa verdoppeln.
Protest auch in Italien
Die Bürgerinitiative »Keine Schweinerei« will »alle verfügbaren Mittel nutzen, um das Projekt zu verhindern, wie sie in einem offenen Brief an die Pini GmbH klarstellte. Der Großkonzern dürfe nicht seinen Profit auf Kosten der Umwelt maximieren, fordert sie darin. Auch gefährde so eine Großschlachterei die regionale Landwirtschaft durch Billigfleisch. Zudem seien die weiten Lebendtransporte Tierquälerei. Die Folgekosten könnten Land und Kommune kaum abschätzen. »Die Idee, in Bernburg 30 Prozent der industriellen Schweinefleischproduktion in Deutschland anzusiedeln, dort die Tiere im Akkord tausendfach zu töten und wieder zu exportieren, erreicht unvorstellbare Dimensionen«, erklärte der Initiator des Bürgerbegehrens, Holger Böttger. So ein Betrieb sei »das Gegenteil von solider Landwirtschaft«. Die Initiative lobte zugleich die Italiener, die zuvor Versuche des Konzerns, eine weitere Großschlachterei zu errichten, gestoppt hätten.

»Sie wollen bei uns einen Betrieb errichten, den Ihre eigenen Landsleute bereits verhindert haben«, heißt es in dem offenen Brief an Pini. »Wir Bürger Bernburgs, die ebenfalls einen Megaschlachthof ablehnen, fühlen uns solidarisch mit jenen Bürgern Italiens verbunden, die die gleichen Überzeugungen haben.«

Auf die Seite der Schlachthofgegner haben sich auch Sachsen-Anhalts Grüne und der Bauernbund geschlagen. Die 14jährige Schülerin Lucia Grün aus Aschersleben übergab an Stadt- und Landespolitiker außerdem eine Petition gegen den Schlachthof. Innerhalb weniger Wochen hatte diese fast 50000 Unterstützer gefunden.

Bis zum Ende der DDR hatte es auf sachsen-anhaltischem Gebiet 17 kleine Schlachthöfe gegeben, die mit Tieren aus dem Umland versorgt wurden. Heute gibt dort nur noch zwei Betriebe. Der Mittelständler »Halberstädter Landwurst GmbH« schlachtet nach eigenen Angaben 400 bis 800 Schweine pro Tag, der nordrhein-westfälische Fleischkonzern Tönnies sogar rund 15000 Tiere an seinem Standort in Weißenfels. Für diese Betriebe kommen die Schweine aus ganz Ostdeutschland.