Europaweite Videoüberwachung an Schlachthöfen und Dokumentation


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/ #1353 DAS SCHWEIN IST DER MENSCH

2013-11-11 19:17

DAS SCHWEIN IST DER MENSCH

Die Geschäftsbedingungen zwischen Mensch und Schwein sind klar: Wir geben ihnen zu fressen, dafür fressen wir sie. Aber das kann doch nicht alles sein. Ein Entschuldigungsbrief.

Sehr geehrte Schweine,
entschuldigt bitte, dass ich mit diesem Brief so unvermittelt in den Stall hereinplatze. Ich weiß, Ihr habt keine Sekunde Zeit – Ihr müsst fressen, damit Ihr möglichst flott das Schlachtgewicht erreicht. Aber ich muß jetzt einfach mal was loswerden. Es liegt mir schon lange im Magen.
Gestern, als ich beim Metzger zwei Schweinefilets kaufen wollte, hat es mich wieder mal erwischt. Da lachte mich fröhlich vom Tresen dieses pralle Plastikschwein an, das voller Speck und Zuversicht in vielen Schlachtereien für seine eigene Vernichtung wirbt. Ich brach innerlich zusammen, stammelte irgend etwas von „…doch lieber Gemüse“ und verließ den Laden.
Könnt Ihr verstehen, dass mich bisweilen das Gewissen plagt? Laßt mich das mal erklären.
Es ist ja nun nicht zu bezweifeln, dass unser Verhältnis zu Euch – die Beziehung Mensch-Schwein - ,milde gesagt, gespannt ist. Für uns Fleischfresser seid Ihr reine Geschmackssache,
für den Metzger eine Kilopreis-Angelegenheit, und für den Züchter stellt Ihr nur ein einziges
Problem dar: Wie kommt Ihr am billigsten in fünf Monaten von 15 auf 100 Kilo? Wir pferchen Euch deshalb ein, pumpen Euch mit Drogen voll und sparen auch noch am Stroh.
Die Geschäftsbedingungen zwischen Mensch und Schwein sind klar, und wir nutzen unseren Platz am Ende der Nahrungskette brutal aus: Wir geben Euch zu fressen, dafür fressen wir Euch. Jede Sekunde muß deshalb in Deutschland eins von Euch sein Leben lassen und endet abgepackt und folienverschweißt in irgendeiner Tiefkühltruhe.
Ich verstehe gut, wenn einige von Euch jetzt genervt die Schweinsäuglein zur Stalldecke verdrehen. Ich bin für Euch ja schließlich auch nur so einer, der bei Eurem Anblick „Ach, wie niedlich“ sagt und drei Stunden später am Esstisch „Oh, wie lecker!“ Aber so einfach ist das nicht. Ich weiß, dass Ihr nicht nur niedlich seid, sondern auch schlau, fast so schlau wie
Delphine. Daß Ihr sauber seid und erst der Mensch Euch durch die Massenhaltung zum Dreckschwein-Dasein zwingt. Und ich habe gehört, dass Ihr Euch abends, wenn es im Stall ruhig geworden ist, wunderschöne Geschichten erzählt. Von den ollen Griechen zum Beispiel.
Die glaubten fest daran, dass ihr Gott Zeus als Kind von einer Wildsau genährt wurde. Vom goldborstigen Sonneneber Gullinborsti, auf dem die Fruchtbarkeitsgöttin Freya ritt. Oder die
Geschichte, die die Ferkel gar nicht oft genug hören können: vom Weißen Himmelsschwein,
das jeden Abend die Sterne gebiert und sie morgens wieder verschlingt. So erklärten sich jedenfalls die Trojaner und Ägypter das Firmament. “Noch mal, noch mal“, grunzen die Ferkel dann aufgeregt und quieken vor lauter Freude, werfen sich auf den Rücken und strampeln mit den strammen Beinchen in der Luft.
Und kurz bevor sie in den Tiefschlaf hinübergleiten, gucken sie noch mal mit großen Augen
in die Rotlichtlampe und träumen von der Sonne. Dann, wenn der Nachwuchs schläft, erzählen sich die Großen von den Zeiten, als es noch keine künstliche Besamung gab und die Welt schweinemäßig in Ordnung war.
Wenn ich mir diese blauen Stunden in Euren Ställen vor Augen führe, schäme ich mich für so manchen dumpfen Fernsehabend. Und ich schäme mich für unsere politische Kultur, in der die Politiker einen starken Hang zum Fleischgroßhandel haben und das Schimpfwort „Saustall“ zum anerkannten parlamentarischen Umgangston gehört.
Dabei war einer der wenigen Menschen, der Euch wirklich zu schätzen wusste, ausgerechnet
ein Politiker. Es war der amerikanische Präsident Harry S. Truman. Der forderte, dass ein Mensch, der ein Schwein nicht verstünde, niemals Präsident werden dürfe. Der Gute! Heute ist das umgekehrt: Menschenpräsident wird der, den kein Schwein versteht.
Einen anderen Freund habt Ihr in Bert Brecht. Kennt Ihr sein wunderschönes Gedicht über das Schwein Malchus, das sich in die Sonne verliebt hatte? Die erste Strophe geht so:
Hört die Mär vom guten Schwein
Und von seiner Liebe!
Ach, es wollt’ geliebet sein
Und bekam nur Hiebe.
Ja, der Mensch Brecht hatte recht: Ihr bekommt Hiebe statt Liebe, und bei uns kommt das Fressen mal wieder vor der Moral. Dabei wärt Ihr doch schon mit so wenig zufrieden: ein bisschen mit dem Rüssel im Modder wühlen; dass die Ferkel es mal besser haben; immer genug zu essen; keinen Streß; einen Baum zum Schwartescheuern in der Nähe und immer ein paar Zentimeter Speck über der Wirbelsäule. Im Grunde wollt Ihr gar nichts andres als wir Menschen.
Am besten hat mir noch gefallen, was der englische Chirurg Michael Beswick sagte, der daran arbeitet, Schweineherzen in Menschen zu transplantieren: “Schweine“, sagt der gute Mann, „sind dazu am besten geeignet, weil sie physiologisch gesehen horizontale Menschen sind – wie man Menschen auch vertikale Schweine nennen könnte. Ihr Herz und ihre Nieren sind bei gleichem Gewicht praktisch identisch.“
Nicht nur Herz und Nieren, Freunde.
Herzlichen Gruß von einem vertikalen Schwein an Euch horizontale Menschen.
Euer Peter Pursche







Kinder der Erde
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Begründungen für moralisches Handeln können eher rational-konkret oder eher emotional-abstrakt sein. Zum Beispiel: Wir sollen Tiere gut behandeln, weil sie uns in Bezug auf bestimmte moralisch relevante Eigenschaften ähnlich sind. Oder: Wir sollen Tiere gut behandeln, weil alles Leben heilig ist.
Der Grund, warum unterschiedliche Menschen durch unterschiedliche Arten von Begründungen angesprochen werden, ist trivial: Es gibt eben eher rational und eher emotional orientierte Menschen. Und genau deshalb sollte es auch auf beiden Ebenen plausible Begründungen dafür geben, Tiere gut zu behandeln.
Ich habe mich immer darauf konzentriert, rational zu argumentieren. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens sind nichtrationale Begründungen stets mit einem Glauben im weitesten Sinne verknüpft und daher in ihrer Wirksamkeit auf diejenigen beschränkt, die diesen Glauben teilen. Zum Beispiel: Wer den Vegetarismus mit der Seelenwanderung zu begründen versucht (also damit, daß wir beim Essen von Tieren Gefahr laufen, verstorbene Verwandte zu essen), der kann damit von vornherein nur diejenigen überzeugen, die an die Seelenwanderung glauben.
Zweitens stößt man mit nichtrationalen Begründungen rasch auf rationale Hindernisse. Etwa mit der bereits erwähnten Formel, wonach alles Leben heilig sei: Was ist dann zum Beispiel mit Pflanzen, die dann ja auch heilig sind, die wir aber trotzdem essen müssen, wenn wir nicht verhungern wollen?
Dennoch, wie gesagt: Es sollte auch emotional einleuchtende Gründe für einen anständigen Umgang mit Tieren geben. Um solche zu finden, empfiehlt es sich, sich entsprechende Begründungen in bezug auf den Umgang mit Menschen anzusehen.
Der russische Präsident Boris Jelzin sagte nach der Niederschlagung des Putsches vom Oktober 1993: "Die Ereignisse ... sind unser aller Tragödie, unser aller Blut. Welche politische Überzeugung auch jeder einzelne von uns hat - wir alle sind Kinder Rußlands." Und ein englischer Geistlicher sagte im Zusammenhang mit der Stellung von Homosexuellen in der Kirche: "Wir alle sind Kinder Gottes."
Die Probleme, die sich bei der Nutzbarmachung dieser Aussagen für einen anständigen Umgang mit Tieren ergeben, liegen auf der Hand: Tiere leben nicht nur in einem Land, sondern auf der ganzen Erde. Und für alle religiösen Aussagen gilt, was wir bereits oben erkannten: ihre Wirksamkeit bzw. Anwendbarkeit ist auf diejenigen beschränkt, die den entsprechenden Glauben teilen. Hinzu kommt, daß sich Judentum, Christentum und Islam durch unsinnige und unverantwortliche Aussagen über Tiere von vornherein für eine schlüssige moralische Integration der Tiere disqualifiziert haben.
Als Möglichkeit einer umfassenden und überzeugenden Begründung für einen moralischen Umgang mit Tieren bietet sich aber an: Wir alle, Menschen und Tiere, sind Kinder der Erde und wollen glücklich sein. Für den, der moralisch handeln will, kann es keine Rechtfertigung dafür geben, das, wonach er selber mit aller Macht strebt, anderen leichtfertig vorzuenthalten.
( Helmut Kaplan )



„Denn wie Hitlers Tötung der Juden die terrible Konsequenz ihrer fast zweitausendjährigen blutrünstigen Verfolgung durch die Kirchen ist, so ist die jeder Beschreibung spottende moderne Vermarktung des Tieres nichts als die technisch forcierte und perfektionierte Fortsetzung eines nie abreißenden Holocausts durch alle christlichen Zeiten, das Resultat letztlich des Anfangsschreis:
Machet sie euch untertan!
Seit zwei Jahrtausenden brüstet sich die Christenheit, das Tieropfer von Anfang an abgeschafft zu haben; stimmt. Und doch hat sie mehr Tiere geopfert als jede andere Religion – nur nicht mehr Gott, sondern dem eigenen Bauch.“
( Karlheinz Deschner )



„In allen Religionen, die Gott mit seinem Geist belebt, gibt es Priester, die ihn verraten, Kaufleute, die ihn verschachern, und Pharisäer, die ihn verspottet haben.“
( Raoul Follereau )