Europaweite Videoüberwachung an Schlachthöfen und Dokumentation

Martina Patterson

/ #1192 Fury in der Lasagne

2013-10-01 22:22

Fury in der Lasagne
Eine Wiedervorlage zum Pferdefleischskandal
http://www.wdr5.de/sendungen/politikum/s/d/01.10.2013-19.05/b/fury-in-der-lasagne.html

Die Aufregung war groß, als der Pferdefleischskandal Deutschland erreichte. Viele Händler und Lebensmittelfirmen hatten das falsch deklarierte Fleisch bezogen und häufig bereits verarbeitet an ihre Kunden weiterverkauft. Die Politik reagierte: Am 18. Februar präsentierte Verbraucherministerin Ilse Aigner den gemeinsamen Nationalen Aktionsplan von Bund und Ländern: „Wichtig ist, dass wir alles tun, um zu verhindern, dass sich ein solch dreister und skandalöser Etikettenschwindel in Zukunft wiederholt.“

Eine Erkenntnis der Politik: Das Kontrollsystem des Handels hatte versagt. Ilse Aigner: „Deshalb werden wir gemeinsam mit den Ländern, die für die Lebensmittelüberwachung zuständig sind, die Kontrollsysteme der Supermarktketten durchleuchten.“

Wer viel Geld mit schlechtem Fleisch verdiente, sollte ab jetzt nicht mehr einfach so davonkommen. Die Fleischprodukte sollten genau untersucht und der Skandal aufgeklärt werden.

Was passierte seit dem Skandal?

Und jetzt, sieben Monate später? Haben die Verbraucherminister von Bund und Ländern wirklich alles getan, damit so ein Skandal nicht mehr vorkommt?

Nein, sagt Matthias Wolfschmidt von Foodwatch: „Lügen und betrügen ist nach wie vor dasjenige, was sich wirtschaftlich auszahlt im Lebensmittelbereich.“

Nein, sagt auch Adrian Peter, der sich als Journalist und Buchautor seit Jahren mit der Fleischbranche beschäftigt: „Der Nationale Aktionsplan hat zunächst einmal überhaupt nichts verändert, weil es sich bei diesem Plan vor allem darum handelte, Sachen zu prüfen: Zu prüfen, ob man die Kennzeichnungspflichten ändert, zu prüfen, ob man auf europäischer Ebene was macht. Es wurde viel geprüft, umgesetzt wurde davon so gut wie gar nichts.“

Oder nur sehr wenig: Es gab Internetseiten mit Verbraucherinformationen. Wissenschaftler untersuchten, ob das verarbeitete Pferdefleisch gefährliche Rückstände von Arzneimitteln enthielt. Angeblich nicht.

Drei Kernpunkte haben sich bisher jedoch nicht geändert.

Keine Haftung und mangelhafte Kontrollen

Erstens: die Haftung der Supermärkte für ihre Produkte. Zwar sind die Unternehmen gesetzlich verpflichtet, nachzuhalten, wo ihre Produkte herkommen und welche Zutaten darin stecken. Trotzdem gibt es einen Haken, sagt Isabelle Mühleisen von der Verbraucherzentrale NRW: „Die Sache ist die: Wenn sie das nicht tun, dann müssen sie nicht mit Strafen rechen. Das heißt, hier muss das Gesetz nachgebessert werden.“

Zweitens: das System der Lebensmittelkontrollen. Im Nationalen Aktionsplan hieß es: Bund und Länder wollen die Eigenkontrollsysteme der Supermärkte durchleuchten. Was ist daraus geworden?

Das Bundesverbraucherministerium teilt schriftlich mit, man solle sich doch an die Länder wenden. Auch das Verbraucherministerium NRW will sich nur schriftlich äußern. Doch auch auf mehrfache Nachfrage, ob sich beim System der Lebensmittelkontrollen eigentlich irgendetwas geändert hat, gibt es keine Antwort.

Für den Buchautor Adrian Peter ist der Knackpunkt, dass die Lebensmittelkontrollen bei den Landkreisen angesiedelt sind: „Die Landkreise sind die Hauptprofiteure der Gewerbesteuereinnahmen der Unternehmen. Das heißt, hier haben wir es mit einer extremen Verfilzung zu tun zwischen Kontrollierten und Kontrolleuren und die aufzubrechen, das hat sich bisher kein Politiker getraut.“

Mangelnde Transparenz

Drittens: Die mangelnde Transparenz der Lebensmittelkontrollen. Die Verbraucherzentrale NRW fordert, dass die Ergebnisse aller Lebensmittelkontrollen veröffentlicht werden. Nur so könne sich der Verbraucher selbst ein Bild machen. Foodwatch wirft der NRW-Landesregierung vor, dass sie ihre Kontrollergebnisse nach dem Skandal nicht veröffentlicht hat – obwohl angeblich in sechs Proben Pferdefleisch-DNA gefunden wurde: „Wir gehen davon aus, dass die nordrheinwestfälische Landesregierung sich nicht mit den Handelskonzernen, die im Lande ansässig sind, also namentlich Rewe, der Metro-Konzern, Aldi Nord, Aldi Süd und Kaisers anlegen wollte.“

Das Ministerium wehrt sich aber gegen den Vorwurf: Es dürfe die Ergebnisse gar nicht veröffentlichen. Wegen der geltenden Bundesgesetze. Und so wandert der Schwarze Peter zurück an den Bund und Frau Aigner.
Darunter leiden muss letztlich der Verbraucher. Denn Stand jetzt könnte ein Fleischskandal dieser Größenordnung jederzeit wieder auftreten.

Autor/in: Tina Srowig

Redaktion: Isabel Reth