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/ #2305 Neue Züricher Zeitung Gesundheitsrisiken Warnung vor der Wurst

2014-11-10 15:35

Gesundheitsrisiken

Warnung vor der Wurst

Daniel Friedli 8.11.2014, 22:56 Uhr

 
 Gesundheit contra Genuss: Ein Mitarbeiter einer Bratwurstproduktion in St. Gallen hängt die Würste zum Kochen auf. (10. Juni 2008) (Bild: Christian Beutler / NZZ)Der regelmässige Biss in Wurst, Steak oder Filet schade der Gesundheit. Die Ernährungskommission ruft darum den Bund auf, mehr Zurückhaltung zu empfehlen.

Bei allem Trend zu Vegetarismus und Veganismus – noch immer essen die Schweizer im Schnitt 52 Kilogramm Fleisch pro Jahr, rund 20 Kilogramm davon in Form von Wurst oder Charcuterie. Das birgt Risiken, wie nun die Eidgenössische Ernährungskommission in einem neuen Bericht festhält. Ihr Fazit: Der Konsum von rotem Fleisch – dazu zählt etwa Rind, Kalb und Schwein, nicht aber Geflügel – ist langfristig für die Gesundheit gefährlich. Der Bund soll den Bürgern daher raten, weniger davon zu essen.

Begründet wird dieser Befund mit einer Analyse der weltweit neuesten Studien und Daten zu den gesundheitlichen Aspekten des Fleischkonsums bei Erwachsenen. Daraus geht etwa hervor, dass die grössten Fleischesser über eine Zeitspanne von 13 Jahren ein um 29 Prozent höheres Sterberisiko aufweisen als jene mit dem geringsten Konsum. Ähnliche Risikofaktoren ergaben sich je nach Studie bezüglich des Auftretens von Krebs, Herzproblemen und Diabetes. Kurzum: Die im Bericht gesammelte Evidenz «lässt ableiten, dass für rotes Fleisch und vor allem für Fleischprodukte gesundheitlich negative Langzeitwirkungen auf Sterblichkeit, kardiovaskuläre Erkrankungen, bestimmte Formen von Krebs wie Dickdarmkrebs und Diabetes Typ 2 angenommen werden müssen».

Zwei Gerichte pro Woche

Woher diese Risiken rühren, lässt sich im Einzelnen nicht sagen. In Verdacht haben die Forscher etwa die Nitrite im Pökelsalz, das im Fleisch vorhandene Häm-Eisen sowie L-Carnitin, das im Körper in ein arterioskleroseförderndes Aminoxid umgewandelt wird. Auch Zubereitungsschritte wie Erhitzen und Räuchern sind suspekt; letztlich wird angenommen, dass es mehrere Faktoren sind, die im Zusammenspiel zu den höheren Risiken führen.

Die Kommission empfiehlt darum dem Bund, die Ernährungsempfehlungen für Erwachsene zwischen 35 und 70 Jahren zu modifizieren. «Insbesondere», heisst es, «sollten die Empfehlungen zum Verzehr von unverarbeitetem rotem Fleisch eine Beschränkung beinhalten». Und auch der Verzehr von verarbeiteten Erzeugnissen, also Wurst, Hamburger oder Charcuterie, «sollte noch einschränkender empfohlen werden». Eine Mengenangabe macht die Kommission dazu bewusst nicht. Als konsensfähig gilt aber die Faustregel, dass man sich pro Woche auf zwei Mahlzeiten mit rotem Fleisch beschränken sollte.

Branche protestiert

Gerichtet ist der Bericht an das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV). Dort erklärt eine Sprecherin, die Resultate bestätigten den geltenden Ratschlag, Fleisch massvoll zu konsumieren. Trotzdem prüft das Amt nun, ob es in der Kommunikation und in seinen Merkblättern noch stärker auf Art und Verarbeitungsgrad des Fleisches eingehen soll.

Alarmiert verfolgt die betroffene Branche diese Entwicklung. Der Schweizer Fleisch-Fachverband hat dem Amt bereits schriftlich mitgeteilt, dass er vom Bericht und den Empfehlungen wenig hält. Die zitierten Studien belegten lediglich die statistische Beziehung zwischen Fleischkonsum und einzelnen Gesundheitsproblemen, sagt Direktor Ruedi Hadorn. Ob das eine kausal vom anderen abhänge, bleibe unklar. Auch sei völlig offen, wie hoch die mutmasslichen Risiken in absoluten Zahlen seien. «Auf dieser Basis sind die Aussagen zu wenig abgestützt», sagt Hadorn. Es erstaune ihn, dass eine wissenschaftliche Kommission auf einer derartigen Grundlage solche Empfehlungen abgebe.

Der Verband hat darum das BLV eindringlich aufgefordert, auf eine Anpassung der Empfehlungen zu verzichten. Zumal es laut Hadorn auch Studien gibt, wonach gute Fleischesser weniger mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, was im besagten Bericht erstaunlicherweise unberücksichtigt bleibe. Tröstlich mag für die Branche sein, dass die Kommission umgekehrt auch festhält, der Verzicht auf Fleisch berge gewisse Risiken. Denn Fleisch stelle eine wertvolle Quelle für Eisen, Zink, Proteine und gewisse Vitamine dar, die etwa für Schwangere essenziell seien.